Shankara, Begründer der vedischen Tradition 

Die Veden stellen die ältesten Texte der indischen Literatur dar und wurden nach indischer Auffassung nicht von Menschen geschaffen. Die kriegerisch mit Pferd und Wagen umherziehenden Indo-Arier tauchen im indischen Subkontinent um 1500 B.C. auf. Sie besiegeln den Untergang der hoch entwickelten sesshaften Zivilisation von Harappa und mit ihnen erscheint eine Sammlung von hymnischen Texten, die – viel später erst – von den Brahmanen als “Veda“ bezeichnet werden und mit diesen bringen die Fremden das Sanskrit. Etwa um das 6. Jahrhundert B. C. hatte sich die ursprüngliche Form des Veda als Sammlung unterschiedlicher Werke allmählich konstituiert. Die traditionelle Weitergabe erfolgte zu dieser Zeit mündlich durch „Familien“ oder „Priesterschulen“. Die vedischen Hymnen sind eng mit Opferriten verbunden, die das Leben damals zwischen Geburt und Tod in allen seinen Aspekten durchflochten. Verschiedene Priesterschulen wachten über verschiedene Bereiche des sich zunehmend ausdifferenzierenden Veda.

Im Laufe der Zeit zogen sich Priester aus den verschiedenen Schulen an einsame Orte zurück, um dort über das Ritual und seine symbolische Bedeutung zu meditieren. Die dadurch entstandenen neuen Texte, die zu memorieren waren, waren die Aranyakas („Waldtexte“). Die heiligsten Teile dieser Texte waren die „Upanishaden“. Dies waren Texte, die nur durch Zuhören beim Sitzen in unmittelbarer Nähe empfangen werden konnten, also nur entfernt von weltlichem Umgang und zu den Füßen eines Lehrers, der den Aspiranten für würdig genug hielt, sie zu hören.

Die Upanishaden galten als „Vedanta“ oder Ende des Veda. Die Bezeichnung „Vedantin“ für Shankara beruht darauf, dass er primär ein Kommentator der Upanishaden und anderer Werke war, die upanishadisches Wissen ausdrückten. Seine einzigartige historische Leistung war es, die widersprüchlichen Aussagen der Veden zu versöhnen, indem er eine alle vedischen Aus-sagen übergreifende, integrierende und vereinheitlichende Interpretation lieferte, die in ihrer Analyse Transzendenz und Immanenz als den alle Veden durchziehenden gemeinsamen roten Faden entdeckt und festschreibt.

Shankara hing dem Prinzip der Transzendenz an, das in den frühesten Upanishaden auftauchte: „Das, was vom Auge nicht gesehen wird, welches aber die Aktivitäten des Auges wahrnimmt – wisse, dass das wirklich das Absolute (brahman) ist, und nicht das, was die Leute hier anbeten.“ Er wollte nicht akzeptieren, dass die Befreiung von der Bindung an Illusion und Pluralität erreicht sei, so lange noch ein Gedanke irgendeines Unterschiedes zwischen dem Anbetenden und dem Objekt der Anbetung übrig blieb.

Shankara betrachtete die theistischen Lehrsätze der alten vedischen Texte als provisorische Lehre, die zum einen bezweckte, den Schüler in das reine transzendentale Prinzip einzuführen, indem dies in Formen eingekleidet wurde, die er sich leichter vorstellen konnte und zum anderen, ihn vor den gröberen Fehlern des Materialismus und spiritueller Nachlässigkeit zu bewahren. Theistische Lehrsätze waren für Shankara also nicht Aussagen der letzten Wahrheit.

Wegen dieser strikten Beachtung des Prinzips der Transzendenz wurden Shankaras Schriften als die klassische Formulierung indischer Weisheit angesehen. Er allein konnte für die Gesamtheit der upanishadischen Texte einstehen. Keiner der pantheistischen und theistischen Kommentatoren, die ihm folgten, konnte zufriedenstellende Erklärungen über die negativen Texte abgeben, die alle empirischen Eigenschaften des Absoluten verneinen.

Advaita-Vedanta - Nicht-Zweiheit (All-Einheit) als letzte Erkenntnis der Veden. Die philosophische Basis der Transzendentalen Meditation:

zusammengefasst nach A. Alston: A Shankara Sourcebook in 6 Volumes, London, Shanti Sadan, 2004 

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