Konzentrative und kontemplative Meditationsformen werden als horizontale Techniken im Gegensatz zur vertikalen Technik der Transzendentalen Meditation bezeichnet.
Transzendentale Meditation definiert sich als nicht-konzentrativ, also als anstrengungslos. Konzentration wird aufgefasst als eine mentale Aktivierung im Dienste der Koordination verfügbarer geistiger Kräfte zum Zwecke ihrer Bündelung und Ausrichtung (Fokussierung). Diese mentale Aktivität wird in der Regel als anstrengend aufgefasst und erfordert Aufwand.
Die Meditations-Perspektive der Konzentration ist eine andere: Es soll versucht werden, den unruhigen Geist zu disziplinieren, kontrollieren, zu bändigen oder zu zähmen. Ein häufig gegen diesen Versuch der Gedankenkontrolle vorgebrachtes Argument sagt: „Versuchen Sie mal, eine Nacht lang nicht an einen weißen Affen zu denken“. Der Versuch, Konzentration aufrecht zu erhalten, führt zur Ermüdung des Geistes und zur verstärkten Fluktuation der Aufmerksamkeit (Abdriften, Ablenkung). Vorher führt die aufgewandte Aktivität dazu, dass der Geist die Ebene höherer psychophysiologischer Aktiviertheit nur schwer verlassen kann und dort eher festgehalten wird. Demgegenüber wird in der Transzendentalen Meditation Wert darauf gelegt, dass Meditation anstrengungslos sein sollte, um der Aufmerksamkeit die Möglichkeit zu geben, abzusinken, anstatt sie zu fixieren. Der westlich leistungsorientierten Definition der Konzentration setzen Schriften des Ostens andere Schwerpunkte der Definition entgegen. So führt Swami Hariharananda Aranya (1977) über die von ihm nahezu synonym benutzten Begriffe „Konzentration“, „Samadhi“ und „Yoga“ im Rahmen der Darstellung der Yoga-Philosophie von Patanjali folgendes aus:
When by contemplation on divinity or on the self etc. or on a state of blissfulness, the mind can be held fixed without effort on any particular object, and no other idea intrudes itself on the mind, then the mind can be regarded as having reached a state of habitual one–pointedness. In an unsteady stage the mind can often be fixed occasionally, but oftener would it work without control. (Hervorhebung durch uns) (Wenn der Geist durch Kontemplation auf Göttlichkeit oder auf das Selbst usw. oder auf einen Zustand des Seligkeitsbewusstseins ohne Anstrengung auf irgendein besonderes Objekt fixiert gehalten werden kann, dann kann man vom Geist annehmen, dass er einen Zustand gewohnheitsmäßiger „one-pointedness“ – Ausrichtung auf einen Punkt – erreicht hat. Auf einer unsicheren, schwankenden Stufe kann der Geist oft gelegentlich fixiert werden, aber noch öfter pflegt er unkontrolliert zu arbeiten.)
Diesen Ausführungen können wir drei wesentliche Informationen entnehmen:
1. „concentration or Samadhi of some sort is possible whatever might be the state in which a mind may be” (Konzentration oder Samadhi in gewisser Art ist möglich, egal in welchem Zustand sich der Geist befindet).
2. Alle diese Arten der Konzentration sind nicht hinreichend, um Befreiung zu erlangen, bevor der Geist nicht zumindest den Zustand dauerhafter anstrengungsloser one-pointedness erlangt hat.
3. „When …. the mind can be held fixed without effort on any particular object, …… then the mind can be regarded as having reached a state of habitual one-pointedness.” (Wenn der Geist ..... ohne Anstrengung auf irgendein besonderes Objekt fixiert gehalten werden kann, dann kann man vom Geist annehmen, dass er einen Zustand gewohnheitsmäßiger „one-pointedness“ erreicht hat.)
Kontemplative Techniken sind unterschiedlicher Art: In den christlichen Kirchen kann damit die assoziative Vertiefung biblischer Aussagen, von Sinnsprüchen, von religiösen Bildern usw. gemeint sein. Sie dienen als Ausgangspunkte für die Erzeugung assoziativ vertiefender Ketten. Diese Art der Kontemplation ist nicht gegenstandslos, sondern bleibt im Bereich gedanklicher Aktivität. Enomiya-Lassalle (1972) hat darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Kontemplation in der Regel nach einiger Zeit „trocken“ wird, dass die vorherige gedankliche Bereicherung zunehmend ausbleibt, wenn die Meditation nicht von der Oberfläche mehr und mehr in die (zunehmend wort- und gedankenfreie) Tiefe, den „Seelengrund“ hineinsinkt und in die „übergegenständlichen“ Meditation übergeht.
Kontemplation in Form der Achtsamkeit kann nach Buchheld (2000) ihren Schwerpunkt in verschiedenen mentalen Prozessen wie Metakognition (nicht-identifizierendem Beobachten und Wahrnehmen), Etikettieren, Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle, Distanzierung und Disidentifikation, frei fließender Aufmerksamkeit, Fokussieren und Akzeptieren haben, um einige typische zu nennen.
Kontemplation als „Achtsamkeitsmeditation“ , (Kabat-Zinn, nach Ott, 2001):
„Sitzen Sie einfach nur da, ohne auf etwas Spezielles zu achten. Versuchen Sie, einfach nur vollkommen unvoreingenommen zu bleiben, egal was im Bewusstseinsfeld auftaucht. Lassen Sie alles auftauchen und wieder verschwinden. Es berührt Sie überhaupt nicht. Sie sind nichts weiter als der im Sein zentrierte Beobachter eines regen Kommens und Gehens.“
Hier beinhaltet der erste Teil der Anweisung eine typische Achtsamkeitsübung, der zweite ist eher dem verbreiteten „positiven Denken“ entlehnt und beinhaltet die Selbstsuggestion des „nicht-berührt-werden“ und „im Sein zentrierter Beobachter zu sein“. Letzteres ist – kritisch gesehen – eher als „mood-making“ (Stimmungsmache) zu bewerten denn als akzeptierendes, nicht bewertendes Beobachten. Zwischen der realen Erfahrung des im Sein zentrierten Beobachtens (im Sinne des witnessing im dauerhaften Samadhi) und der selbst-suggerierten Einbildung dessen im Zustand der „karmischen Bindung und Unfreiheit“ (noch nicht erreichter Freiheit vom Karma) ist ein fundamentaler Unterschied.
In der Disidentifikation wird eine systematische Diskrimination zwischen dem Wahrnehmenden und dem wahrgenommenen Objekt erzeugt, um mit dieser Distanzierung die „Verstrickung“ mit dem Wahrnehmungsobjekt zu reduzieren, wie z.B. aus therapeutischen Gründen in der Schmerztherapie. Dieser Prozess beinhaltet die Einführung einer subtilen Kontrolle, die die stetige Unterscheidung zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenen kultiviert. Diese ständige Kontrolle erfordert Energieaufwand und wird – wie Kabat-Zinn betont – oft als „anstrengend“ empfunden. Diese kognitive Übung „teilt den Geist“ im Dienste steter Unterscheidung zwischen und Distanzierung von wahrgenommenem Objekt und wahrnehmendem Subjekt und bemüht sich um Distanzierung des wahrnehmenden Bewusstseins von den durch die Sinne unablässig angelieferten Informationen (Dissoziation, „Pratyahara“ – das Zurückziehen der Sinne von ihren Objekten). Das Resultat ist ein inneres „detachment“ und mehr oder minder herabgesetzte Spontaneität und Unmittelbarkeit des Erlebensprozesses infolge zunehmender Kontrolle der Denkaktivität und infolge einer therapeutisch erwünschten Trennung der Aufmerksamkeit von den Sinnesobjekten, z.B. den Schmerzen. Man versucht „zum Beobachter seiner selbst zu werden“.
Der real erlebte Zustand des konstanten Transzendentalen (Reinen, inhaltslosen) Bewusstseins in der witnessing-Erfahrung unterscheidet sich von der Disidentifikation dadurch, dass er spontan und ohne Anstrengung erreicht und aufrechterhalten wird, wenn er als Erfahrung einmal gegeben ist. Ihn durch Aufwand oder bewusste Anstrengung oder in der Vorstellung erzeugen zu wollen, führt ihn doch nicht herbei, wenn er nicht gleichzeitig spontanes Erfahrungsgut ist. Der Unterschied besteht darin, dass Disidentifikation durch denkende Aktivität erzeugt wird und sich vom witnessing als spontan aufrecht erhaltenem detachment (Reinem Bewusstsein bzw. den Nachwirkungen Reinen Bewusstseins) während des Schlafens, Träumens und Wachens grundlegend unterscheidet. Letzteres tritt als spontanes Erlebnis ein und bedeutet Aufrechterhaltung eines Zustandes von Reinem Bewusstsein und perfekter Ruhe jenseits von Denkaktivität, während zur Disidentifikation die aktive (denkend) erzeugte Spaltung innerhalb des psychischen Prozesses gehört.
Witnessing (dauerhaftes Reines Bewusstsein, Turiyatita, nirvikalpa samadhi) lässt sich nicht auf der Ebene der Denkaktivität herstellen oder „simulieren“. Der Versuch der rein kognitiven Disidentifikation (auf der Ebene des Denkens) mündet in einer Endlosschleife des sich Disidentifizierens von der Disidentifikation und hat für sich gesehen auf Dauer außer durch Einbildung (Illusion), mood-making (Stimmungsmache), Konditionierung (Automatisierung), Ermüdung, Verdrängung (Dissoziation) oder Abgleiten ins Zwanghafte u.a. kaum Möglichkeit, die Denkebene zu verlassen (um der realen Erfahrung von Samadhi Platz zu machen), da Handeln und Anstrengung aktivierende Mechanismen sind. Automatisierungen und Konditionierungen wären erneute „karmische Knoten“, Kleshas, die es aufzulösen gilt und die sich im Zustand der Befreiung des Samadhi (liberation, moksha) auflösen. Mit anderen Worten, denkende oder „rein gedachte“ Disidentifikation (wie z. B. bei Kabat-Zinn: Mindfulness based stress reduction Technique) kann die fehlende Erfahrung der Losgelöstheit aus karmischer Bindung, die ausschließlich als Resultat von Samadhi eintritt, nicht ersetzen oder herbeiführen, sondern lediglich gleichnishaft simulieren. Freiheit von Bindung ist nur durch die direkte Erfahrung von Samadhi gegeben, nicht durch den Versuch gedachter Disidentifikation auf der Ebene der Bindung, in der man bekanntlich solange festsitzt, wie permanente Verankerung in Samadhi noch nicht dauerhaft geworden ist. („Differentiated perception and the field of individual activities are also bondage.” Sri Lakshman Joo, Shiva Sutras)
Auch wenn die Disidentifikation eine gewisse Kontinuität durch Konditionierung und Gewöhnung erlangt und durch Automatisierung „zum Selbstläufer“ wird, wird sie zwar zu einem konstanten Funktionsmuster im Bereich von Denken und Fühlen, bleibt aber im Bereich (automatisierter) Vorstellungen und erzeugter Stimmungen wie andere Konditionierungen auch. Als Ergebnis einer regelmäßigen langfristigen Übung ist sie programmiertes Aufmerksamkeitsverhalten im Bereich der Aktivität statt echten Samadhis (ruhevolle Wachheit, Reines Bewusstsein), das jenseits von Konditionierungen ist und diese auflöst.
Die Transzendentale Meditation erreicht bezeichnenderweise im Tiefebereich 3 des MTF von Piron in kürzerer Zeit signifikant größere Meditationstiefe in Achtsamkeit als die Kontrollgruppe der anderen Meditationsformen und dies auch bei separatem, um den Meditationsdauereinfluss (in Jahren) bereinigten Vergleich mit den Theravada-Meditierenden der MTF Eichstichprobe. Dies bestätigt sich in den meta-analytischen Vergleichen von Transzendentaler Meditation und “mindfulness meditation” und anderen Meditations- und Relaxationsformen (Orme-Johnson 1998).
An dieser Stelle lohnt eine vergleichende Betrachtung verschiedener Meditationsformen (ausführliche Darstellung in Fehr, 2003). H. Piron hat uns dankenswerterweise die Daten der ursprünglichen Eichstichprobe des MTF zur Verfügung gestellt, die wir zu Vergleichszwecken z-transformiert haben.
Wenn wir die vorläufigen Resultate des MTF zur Richtschnur nehmen, so weisen die gegenstandslosen Meditationsformen (Christl. Kontemplation, TM, Tibet. Mahayana) verglichen mit den anderen in allen Meditationstiefebereichen deutlich bis signifikant tiefere Meditationen auf. Theravada hat seine besten Wirkungen in den Tiefen 3 (Achtsamkeit) und 4 (Essentielle Qualitäten), in den restlichen erzielt es durchschnittliche Tiefewerte. Qigong weist insgesamt leicht unterdurchschnittliche Werte, Yoga-Meditation durchschnittsnahe Werte außer in Tiefebereich 5 (non-duale Erfahrung), wo die Yoga-Meditation zusammen mit Qigong und ZEN deutlich unterdurchschnittlich liegt, der in sämtlichen Tiefebereichen durchgängig die niedrigsten Werte zeigt.
Vielleicht sind die hier untersuchten Techniken - Yoga-Meditation, mindfulness meditation, ZEN, Theravada - eher vorbereitend für die tieferen, bei Enomiya-Lassalle als „überpersönlich“, sonst auch als „ungegenständlich“, „gegenstandslos“ oder „transzendental“ bezeichneten Meditationsformen anzusehen. Die Untersuchungen Engels zeigten ebenso wie unsere, dass Arbeit und Kampf nicht nur keine notwendigen Voraussetzungen, sondern vorwiegend Hindernisse für gute Erfahrungen auf den höheren Stufen meditativer Entwicklung und / oder für tiefe Meditationserfahrung darstellen. Das wirft die Frage auf, ob es für das Praktizieren von „anstrengenden“ Meditationsformen jenseits der durch den MTF erfassten Meditationserfahrungen weitere Motive gibt, die das Mehr an Anstrengung erklären können, das der Meditationstiefe offensichtlich nicht zuträglich ist. Wir vermuten, dass eine kontraproduktive Übertragung von Prinzipien aus dem Handlungsbereich („sich Mühe geben“) in den Meditationsprozess hinein stattfindet.
Die bis heute laut Engel am ausführlichsten untersuchte Meditationstechnik der Transzendentalen Meditation weist etwa rund 600 Effektivitätsstudien auf, davon ein Großteil in Fachzeitschriften mit peer review. Mit den Worten „…taking the mind from the experience of a thought to finer states of the thought...” beschreibt Maharishi Mahesh Yogi den essentiellen Wirkmechanismus der Transzendentalen Meditation.
Diese nutzen die systematische Desaktivierung (Reduzierung, Beruhigung) der mentalen Tätigkeit, so dass der Geist zunehmend subtilere Stadien des Denken, also Denken in Ebenen zunehmend geringerer Aktivität erfährt, bis schließlich durch Habituation des auf das mantra ausgerichteten Denkens die Ebene geringstmöglicher und subtilster Aktivität (über- oder) unterschritten, „transzendiert“ wird und „Reines Bewusstsein“ (Transzendentales Bewusstsein) erreicht wird – daher der ursprüngliche Name (Transzendentale Meditation).
Dieser systematische Vorgang mentaler Desaktivierung, des „Transzendierens“, ist es, der den Zustand „Reinen Bewusstseins“ herstellt.
„If we could develop our faculty of experience through any of the senses, or develop our ability to experience thought before it reaches the conscious level of the mind, and if this ability to experience thought could be so developed that it reached the source of thougth, then, having transcended the source, it would be possible to reach the transcendental state of pure Being. In this way, by progressively experiencing finer states of creation through any one of the senses until the finest experience is transcended, the state of Being is reached.“ (Maharishi Mahesh Yogi, 1966).
Auf dieser Stufe des Bewusstseins ,,erfährt der Erfahrende nicht länger mehr“, da er als Subjekt ohne Erfahrungsobjekt belassen ist. Dieser Zustand ist dann reine Existenz, der Zustand absoluten (Bewusst-)Seins.
Im Denken als oberflächlicher Bewusstseinsebene wird ein Gedanke bewusst wahrgenommen. Die Frühstadien der gedanklichen Entwicklung – die tieferen vor- oder unbewussten Ebenen – entziehen sich gewöhnlich der bewussten Wahrnehmung.
© 2022 Anke Beumann